Aus eine Rundblick Heimatkunde
"Von Dorf zu Dorf"
im Muldentalkreis
Band 1 Die Dörfer östlich der Mulde
SAX Verlag Beucha
Herausgegeben von Manfred Müller

Unser Reitsport begann mit ganz normalen Ackergäulen

Besonders auffällig waren sie eigentlich nicht, meine fast acht Jahrzehnte hier im Dorf, nur daß man mich überall hinschickte, wo jemand gebraucht wurde. In Unternitzschka stand mein Geburtshaus, aus Lehm gefügt, und heute nicht mehr vorhanden. Sechs Geschwister waren wir, da hieß es beizeiten, sich auf eigene Füße zu stellen. Damals gab es noch das sogenannte Landjahr, ich habe es nach der achten Klasse auch absolviert.
Viel war nicht los bei uns bis zum Zweiten Weltkrieg. Wir konnten uns im Gesangverein treffen oder bei der Feuerwehr mitwirken, die später gar über eine eigene Blaskapelle verfügte. Wir hatten im Unterdorf wenigstens noch den „Goldenen Apfel" mit Kegelbahn, den Dorfplatz als beliebten Treffpunkt und die schönen weiten Muldenwiesen zum Stromern und Fußball spielen. Einige Handwerker waren im Dorf tätig. Einen „Barbier" hatten wir nicht. Deshalb ging's zum Haare schneiden zu Matthes Franz, der machte das für'n Groschen.
Ich hatte Zimmermann gelernt, Krieg und Gefangenschaft durchstanden. Eine der schlimmsten Enttäuschungen nach der Heimkehr war für mich, daß aus blindem Haß auf vieles, was nur halbwegs nach Adel und Herrenbesitz aussah, von den neuen Machthabern zerstört wurde. Auch unser schönes Schloß wurde abgerissen. Man brauchte das Baumaterial, das waren fast ausschließlich Bruch- und Feldstein, angeblich für die Neubauernhöfe.
Vor meiner Heirat 1950 gab es noch eine Alternative, etwas mehr zu verdienen: die Wismut AG. Diese Gelegenheit habe ich eine Zeitlang genutzt, war auch mal für einige Monate im Westen. Aber das alles war nicht meine Sache. Ich spürte sehr rasch, daß ich hierher nach Nitzschka gehörte und zu meiner Frau. Und ich wollte, daß etwas los sei im Dorf. Ich gründete eine Ortsgruppe der GST und sorgte dafür, daß eine Kulturgruppe entstand. Wir haben auf den Dörfern Theater gespielt, zogen mit Zugmaschine und Hänger umher. Dann folgten eine Fußballmannschaft und das Kegeln. Überall hatte ich meine Hände mit im Spiel, stets nach dem Motto: „Alfred, mach du das, dann wird's was!" Ich hatte gute Verbindungen nach verschiedenen Seiten, und die Materialbeschaffung ging mir eben leicht von der Hand.
Ja, und die Sache mit dem Reitsport im Dorf ist eigentlich nicht aufregender als das andere, nur viel bekannter sind wir dadurch geworden. Sie begann 1968, und die Idee dazu hatte Gerd Haupt. Er hat zusammen mit Kurt Kulms, Werner Meier und Werner Kniesche die Sektion Reitport in der BSG gegründet, die ich auf die Beine gestellt hatte. Die Pferde gab uns die LPG, ganz normale Ackergäule. Es wurde einfach nur geritten, aus Spaß an der Sache. Das erste Turnier bestritten wir unter uns. Der „Buschfunk" tat ein Übriges, und bald konnten wir Interessenten aus der näheren Heimat begrüßen. Wir brachten die Tiere im ehemaligen Rittergut unter, heute bauen wir große Zelte auf. Der Reitplatz entstand auf dem Gelände der abgerissenen Hühnerbaracken, und auch unser Sportlerheim haben wir 1970 dort eingerichtet. Alle Arbeiten führten wir in freiwilligen NAW - Einsätzen durch.
Nach der Wende war allerdings erst mal Schluß. Unser Reitplatz lag im Wassereinzugsgebiet, und nach den bundesdeutschen Gesetzen war das nicht tragbar. Dann erhielt das Dorf glücklicherweise aus einer anderen Richtung das Trinkwasser, und 1993 konnten wir unsere Wettkämpfe fortführen. Wir bauten einen neuen Richterturm, anfangs saßen die Kampfrichter gar mal auf einem Pferdewagen. Unsere Pfingstturniere, die jetzt unter der jugendfrischen Leitung von Jens Kaltofen aus Burkartshain organisiert werden, sind bundesweit bekannt, und sogar aus Bayern kommen die Teilnehmer. Was wollen wir mehr?
Das Alter forderte seinen Tribut. Ich trat also in die „zweite Reihe" zurück und überließ die Arbeit im Vorstand den jüngeren Leuten. Ganz unaktiv kann ich allerdings nicht sein. Deshalb treffe ich mich jede Woche mit einigen Sportfreunden zum Kegeln, nicht nur zum Spaß, sondern auch zu regelrechten Wettkämpfen. Und da möchte man schon Leistung bringen. (W.B.)

Die alten Herren vom Kegelclub
das sind: Hans Müller, Alfred Eilenberger, Herbert Vinz, Horst Braun und Lothar Aßmus

W.B. = Werner Ballschmieder