Halle/Sayda/Lößnitz. Die alte Salzstraße von Halle/Saale bis nach Prag in Tschechien soll als Erlebnisroute wiederbelebt werden. Für das Projekt, das als eines der umfangreichsten Tourismusvorhaben in Mitteldeutschland gilt, laufen die Fäden im Verein "Alte Salzstraße Halle-Prag" zusammen. Er hatte sich im vergangenen Monat als Dachverband für alle bisherigen Initiativen gegründet.
Was am Weg liegt, wird gesammelt
Am Start für den "Lauf" über die rund 400-Kilometer-Strecke
waren mehr als 20 Gründungsmitglieder - Vereine aus Sachsen-Anhalt
und Sachsen sowie Vertreter aus Wissenschaft, Kunst und Kultur aus den
genannten Bundesländern und Tschechien.
Ein riesiges Puzzle-Spiel hat begonnen. "Wir fahren den einst wichtigsten
Salz-Handelsweg des Mittelalters Stück für Stück ab, erkunden,
was es schon gibt und suchen touristisch interessante Dinge. Es wird alles
gesammelt, was am Wege liegt", so der Vereinsvorsitzende, der Hallenser
Wilfried Dathe. Sein Stellvertreter Toralf Richter vom Heimatverein "Mortelgrund
- Alte Salzstraße" im mittelsächsischen Sayda, fügt hinzu:
"Bisher haben viele Orte ihr eigenes ,Salz gesiedet'. So gibt es bereits
Schautafeln, die etwa auf alte Wegbefestigungen, Wehrkirchen und Burgen
aufmerksam machen. Alle Teile sollen jetzt zusammengefügt werden."
Auf der "Inventarliste" stehen schon Veranstaltungen, die sich in der
Region regelmäßig rund um das Salz drehen. Dazu gehören
die geführte Wanderung von Sayda oder Schlettau ins Böhmische,
bei der jährlich Hunderte Sportsfreunde dabei sind, der Wettkampf
der Salzträger von Lesná in Böhmen sowie der Salzmarkt
von Lößnitz, bei dem in diesem Jahr zum 13. Mal Geschichte lebendig
wurde.
Es gibt aber auch ganz Neues. So erarbeitet der sächsische Mühlenverband
eine "Mühlentour entlang der historischen Salzstraße". Und der
Heimatverein Mortelgrund in Sayda hat soeben das Buch "Kräutervielfalt
entlang der alten sächsisch-böhmischen Salzstraße" herausgebracht.
"Uns geht es darum, die in Jahrhunderten entstandenen Zeitzeugen dem Wanderer,
Rad- oder Autofahrer auf der Strecke nahezubringen - auf deutscher wie
auf tschechischer Seite", unterstreicht Richter. Darunter sind auch Burgen
und Schlösser. In der hiesigen Region unter anderem Purschenstein
in Neuhausen im Erzgebirge, Hartenstein bei Zwickau und Schlettau bei Annaberg-Buchholz.
Auf der tschechischen Seite sind es die Riesenburg bei Osek (Ossegg) und
Hassenstein (Hasistejn). "Alles herrliche Kulissen, die in verschiedene
Angebote eingebunden werden können", schwärmt Mirko Gläser
vom Lößnitzer Verein "Historische Salzstraße". "Schloss
Hassenstein soll Hotel werden. Das würde gut zu unserer Vision vom
,Wandern ohne Gepäck' passen: Mehrtagestouren, bei denen der Transport
des Gepäcks organisiert wird. Hassenstein könnte der Endpunkt
sein. "
"Wer später die Strecke mit dem Auto oder Rad abfährt oder
sie als Wanderroute nutzt, soll möglichst viele interessante Eindrücke
sammeln können", denkt Dathe voraus. "Außerdem führen wir
Gespräche mit Gastronomen und Hoteliers. Zum einen wollen wir sie
zur Mitarbeit bewegten, zum anderen erforschen, ob es noch Gasthöfe
gibt, die im Mittelalter wegen des Handels auf der Strecke entstanden sind."
Eingebunden wird da auch das "Kleine Vorweg", ein altsächsischer Gasthof
in Sayda, über dessen Hof der alte Handelsweg führt. Bereits
heute ist er Ausgangspunkt der Entdeckungstour "Auf salzigen Pfaden".
Die Finanzierung für das Mammut-Projekt ist noch offen. "Vieles
steht und fällt mit dem Ehrenamt und engagierten Unternehmen", meint
Richter. "Vor allem aber ist die Politik gefragt. Da es noch kein vergleichbares
bundesländer- und grenzüberschreitendes Projekt in der Region,
von der EU-Kulturstraße Via Regia einmal abgesehen, gibt, muss ausgelotet
werden, welche europäischen und regionalen Geldtöpfe angebohrt
werden können."
Salzstraßen gibt es viele
Da es im Mittelalter zwar genügend Salz gab, aber nicht in allen
Regionen verfügbar war, musste es über riesige Entfernungen transportiert
werden. Die Salzstraßen in Mitteleuropa spannten sich unter anderem
von Lüneburg, Halle an der Saale, Salzburger Land und Venedig. Die
Städte, die mit dem Salzprivileg das Recht hatten, mit dem "weißen
Gold" Handel zu treiben, zählten bald zu den reichsten und mächtigsten
der Welt. Eine Besonderheit gab es im Erzgebirge. Hier waren es die Böhmischen
Steige, ein Wegebündel von Salzstraßen, auf denen die weiße
Ware von Halle/S. nach Prag transportiert wurde.
aus der Freien Presse vom 29. August 2010