LVZ Berichte: Aus LVZ 29. Mai 1998

1. Zur Geschichte von Nitzschka
2. Rubrik „In Kürze“
3. 300 Pferde werden zum 25. Reiterfest erwartet
4. Baustop gilt jetzt nicht mehr im Ort
5. Gärtner gründete eigene Baufirma
6. Kirche entstand um 800
7. Gärtner hielt auch Kuh
8. ABM - Kräfte machten den alten Rittergutspark wieder ansehnlich
 

1. Zur Geschichte von Nitzschka

Die erste urkundliche Erwähnung des Gassendorfes Nitzschka stammt aus dem Jahr 1350. Am Abhang der Mulde wurde 1750 bis 1770 ein Schloß im Rokokostil erbaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es abgerissen. Die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinde, in der heute noch rund 300 Frauen, Männer und Kinder leben, wurde mehrere Jahrhunderte lang durch das Rittergut bestimmt, 1814 kaufte es der Schriftsteller Siegfried Mahlmann, der sich hier von der napoleonischen Gefangenschaft erholte.

2. Rubrik „In Kürze“

Fähre fuhr bis 1954 über die Mulde
Bis 1954 verkehrte zwischen Nitzschka und Rothersdorf eine Fähre. Sie benutzte 1788 auf seinen Wanderungen auch Seume. Am Muldenufer steht heute noch eine große Eiche, an der damals eine Glocke angebracht war, mit der der Fährmann gerufen werden konnte. Zuletzt betrieb Familie Fleischhauer die Fähre. Bei dem großen Hochwasser im Jahr 1954 wurde das Drahtseil, an dem die Fähre befestigt war. beschädigt. Das Seil wurde bis heute nicht wieder repariert.
Gasthöfe sind längst alle geschlossen
Zu den Gasthäusern in Nitzschka gehörte viele Jahre auch der „Goldene Apfel" im Unterdorf. Das Wirtshaus dient heute nur noch als Wohnhaus, in ihm wohnen die letzten Wirtsleute Elsbeth und Kurt Wutzig. Letzterer ist bereits 83 Jahre alt und erinnert sich gemeinsam mit seiner Frau noch gut an die früheren Tage, als bei ihnen noch Durst und Hunger gestillt wurden. Heute gibt es in Nitzschka keinen Gasthof mehr.
Feuerwehr zündet Osterfeuer an
Freiwillige Feuerwehr gibt es in Nitzschka bereits seit 1922. Der erste Löschwagen wurde noch durch Pferde gezogen. Auch heute noch kümmern sich 32 Einwohner, darunter sieben Frauen, im Dorf um den Brandschutz. Da es seit der Wende in Nitzschka nicht mehr gebrannt hat, können sich die Mitglieder der Wehr, wie Wehrleiter Werner Beyersdorf zu erzählen weiß, voll auf ihre Schulungen konzentrieren. Einmal im Jahr laden die Kameraden zum Osterfeuer ein. Dann ist mit ihnen das ganze Dorf auf den Beinen.
Störche brüten auf dem Schornstein
Auf dem Schornstein des Rittergutes brüten seit mehreren Jahren wieder Störche. Einwohner verfolgen aufmerksam das Geschehen im Nest. In den Jahren 1980 bis 1985 zogen die Adebare neunmal Nachwuchs auf. 1996 wurden zwei Jungstörche aufgezogen. Auch in diesem Jahr haben sich die beliebten schwarzweißen Vögel wieder auf dem - Nitzschkaer Schornstein eingefunden.
Mehrere Mühlen mahlten Mehl
In Nitzschka gab es mehrere Jahrhunderte lang Mühlen. Auf den erhöhten Stellen stand immer eine Windmühle. Nach Bränden änderte sich mehrfach der Platz. Zu Beginn dieses Jahrhunderts gehörte sie Bäckermeister Willy Ohme. 1722 wird auch eine Wassermühle am Lauschker Bach in Urkunden erwähnt. Heute dient die Mühle noch als Wohnhaus. Ein mächtiges Wasserrad drehte sich auch auf einer Schiffsmühle unterhalb der Nitzschkaer Fähre. 1886 wurde diese Mühle ortsfest und bekam ein neues sechs Meter breites Wasserrad. Diese Wassermühle an der Mulde arbeitete bis 1955. In den Jahren danach wurde das Gebäude abgerissen.

3. 300 Pferde werden zum 25. Reiterfest erwartet

Reiter laden zum Turnier ein

Landwirtschaftliche Produktion gibt es in Nitzschka schon lange nicht mehr. Aber die Einwohner werden zu Pfingsten wieder einmal, und das gleich dutzendweise, Pferde bewundern können. An den Wettkämpfen anläßlich des dreitägigen Pfingstturniers beteiligen sich rund 300 Pferde mit ihren Reitern aus mehreren deutschen Bundesländern.
Die Sektion Reitsport gibt es im Ort seit 1961. Die 15 Reiter, unter ihnen fünf Kinder und Jugendliche aus verschiedenen Orten der Gemeinde Kühren - Burkartshain, gehören zum „Sportverein 61 Nitzschka", in dem außerdem gekegelt und Fußball gespielt wird. Vereinsvorsitzender ist Lutz Merseburger. Beim Reitsport hat Jens Kaltofen den Hut auf. Bei der Vorbereitung auf das Pfingstturnier, das schon zum 25. Mal stattfindet, kann er sich auf die Unterstützung zahlreicher Einwohner, darunter auch mehrerer Firmen, stützen. Beim Pfingstfest, das am Pfingstmontag vor  allem Überraschungen für die Kinder bereithält, rechnen die Veranstalter mit mehreren tausend Besuchern aus der ganzen Umgebung des Muldentales.
In den letzten Jahren haben die rührigen Reiter und zahlreiche andere Helfer aus dem Ort ihren Sportplatz weiter ausgebaut und verschönt. Vor zwei Jahren wurde ein neues Dressurviereck geschaffen, in dem seitdem große Dressurprüfungen stattfinden können. 1997 wurde zwei neue Zuschauertribünen eingeweiht. Zur Zeit ist ein neuer Turnierrichterturm im Bau.
Erstmals geht in diesem Jahr das Turnier über drei Tage. Am Sonnabend gibt es die Dressur- und Spring Prüfungen der Klasse M/A. Für de Abend ist eine Flutlichtschau geplant. Vorgesehen ist für Interessenten auch ein „Ritt in den neuen Tag". Zu den Anziehungspunkten am Sonntag gehört der Sankt – Georg - Dressurpreis. Die Wettkämpfe beginnen 11 Uhr. Nachmittags stehen ein Punktespringen der Klasse M und eine Kombinierte Springprüfung der Klasse A im Programm. Am Montag sind alle Kinder nach Nitzschka auf den Reitplatz zum Kindertag eingeladen Der Eintritt ist für sie dann frei. Aber auch für die erwachsenen Zuschauer lohnt sich der Besuch. Beim „Großen Preis" geht es immerhin um 6000 Mark. Dazu kommt eine Springprüfung der Klasse M.
Auf dem Reitgelände wird an allen Pfingsttagen reger Betrieb herrschen. Es soll ein Wochenende für die ganze Familie werden, mit zahlreichen Überraschungen für jung und alt. An den letzten Tagen haben mehrere Schausteller ihre Fahrgeschäfte aufgebaut. Eine Lanzbulldogschau wird Interessenten nicht nur aus dem Muldental anziehen.
In  den Vorjahren  hatten die Nitzschkaer Reiter stets im Oktober einen Jugendreittag veranstaltet, bei dem vor allem die jüngeren Sportler ihre Kräfte maßen. Er wird, wie Jens Kaltofen erzählte, in diesem Jahr in das Pfingstturnier integriert. Das Reiterfest ist deshalb um einen Tag ausgedehnt worden.  Der Aufwand  für  das Turnier war wohl noch nie so groß wie diesmal. Gleich am Reitplatz wurden für die Pferde Zelte mit Boxen errichtet. In ihnen können die Vierbeiner zwischen den Wettkämpfen sicher untergebracht werden. Bei den Arbeiten haben ABM - Kräfte tüchtig geholfen.

4. Baustop gilt jetzt nicht mehr im Ort

Mischer drehen sich wieder

Jahrelang durfte in Nitzschka nicht gebaut werden. Mitten im Dorf befand sich ein Trinkwasserbrunnen, deshalb war bis zum Ortsrand Trinkwasserschutzzone, in der entsprechende Baubeschränkungen galten, erzählt Bürgermeister Jörg Grundig aus Burkartshain, wozu auch Nitzschka als Ortsteil gehört. Das hat sich geändert. Der Brunnen in Nitzschka wurde stillgelegt, und die Gemeinde erhielt wieder Baugenehmigungen. Die Haushalte erhalten nun ihr Trinkwasser über eine neu verlegte Leitung aus Burkartshain. In absehbarer Zeit soll es für den Ort an der Mulde auch eine Abwasserleitung geben. Die Möglichkeiten dazu untersucht zur Zeit ein Ingenieurbetrieb. Die Einwohner hoffen, daß die Zeit der Dreikammergruben nun bald zu Ende sein wird. Sorgen wird es wohl vor allem für die Grundstücke in der Straße Am Berg geben. Hier kommt ein Felsen bis an die Erdoberfläche, so daß auch bisher schon Leitungen nur mit großem Aufwand verlegt werden konnten. In der Zwischenzeit drehen sich in Nitzschka wieder öfter die Betonmischer, und es werden Mauern hochgezogen und Dächer gedeckt. Gleich hinter der Gärtnerei baut sich ein Nitzschkaer gegenwärtig ein eigenes Wohnhaus. Gebaut wird auch auf dem Sportplatz. Der Reitverein errichtet einen neuen Kampfrichterturm. Bauvorhaben sind in den nächsten Jahren auch auf dem ehemaligen Rittergutshof und auf anderen Nitzschkaeren Grundstücken geplant. Zu den älteren Häuser, die teilweise unter Denkmalschutz stehen, kommen wieder neue. H. Kattner

5. Gärtner gründete eigene Baufirma

Schon 80 Bäder entstanden

Gleich neben der Familiengärtnerei hat sich Thomas Kupsch in den letzteen Jahren Räumlichkeiten für seine eigene Firma aufgebaut. Seine Schwimmbadtechnik GmbH baut seit 1993 Bäder, Whirlpools, Saunaanlagen und Solarien. Seit der Gründung errichtete die kleine Firma schon rund 80 Freibäder, die meisten davon auf Grundstücken im Muldental. Der Firmenchef hebt hervor, daß seine Auftraggeber durchaus sparsam beim Bauen sein können. Durch eigene Leistungen kann der Preis für ein eigenes Bad zum Teil erheblich gesenkt werden. Wer selbst beim Bauen tüchtig mit zupakt, braucht für das erforderliche Material nicht einmal 4000 Mark zu bezahlen. Thomas Kupsch muß sich deshalb um Aufträge keine großen Sorgen machen. Gut geht das Geschäft zur Zeit mit Solarien, wobei vor allem Solarheizungen und Regenwasseraufbereitung gefragt sind. Seine Auftraggeber sind vor allem private Haus- und Grundstückseigentümer, die für sich und ihre Familie die Freizeit angenehmer gestalten wollen. Bei seiner Tätigkeit arbeit Thomas Kupsch eng mit der Firma seines Bruders Christian zusammen, der sich um Garten- und Landschaftsbau kümmert. Als die Familie Kupsch kurz nach der Wende in Nerchau ein Garten-Center eröffnete, waren auch Bäder mit im Angebot. Aus diesem speziellen Verkaufsangebot hat sich im Laufe einiger Jahre die Schwimmbadtechnik von Thomas Kupsch entwickelt. Der Firmenchef glaubt, daß sich sein Geschäft in der nächsten Zeit noch beträchtlich ausbauen läßt.

6. Kirche entstand um 800

Bleiglasfenster zeigen alte Wappen

Einen Vorgängerbau der heutigen Nitzschkaer Kirche hat es schon vor rund 1200 Jahren gegeben. Vermutlich haben damals christliche Fuhrleute, die an der Nitzschkaer Muldenfurt die Alte Salzstraße benutzten, eine Kapelle gebaut. Sie wurde, wie der zuständige Pfarrer Carlitz vermutet, später ausgebaut und vergrößert. In der Kirche befinden sich heute noch die Grabstätten der früheren Rittergutsbesitzer. In den Bleiglasfenstern sind ihre Wappen zu sehen. Eine Gedenktafel, die an den Dichter August Mahlmann erinnerte, der hier auf dem Nitzschkaer Rittergut bis 1826 seinen Lebensabend verbrachte, ist leider abhanden gekommen. Die Tafel mit einem Vers hatte sich fast 200 Jahre im Gutspark befunden.
Der Nitzschkaer Rittergutsbesitzer Hans von Minkwitz hatte in der Reformationszeit mit die Flucht der Nonnen aus dem Kloster Nimbschen südlich von, Grimma organisiert. Unter den Nonnen hatte sich auch die spätere Frau Martin Luthers befunden.

7. Gärtner hielt auch Kuh

Gärtnermeister lebt in altem Fährhaus

Als Manfred Kupsch nach dem zweiten Weltkrieg in Nitzschka die Gärtnerei übernahm, mußte er nicht nur Blumen und Gemüse anbauen. Die staatlichen Stellen verlangten von ihm auch Milch, Fleisch und andere Produkte. Mehrere Jahre weidete deshalb eine Kuh auf den Muldenwiesen gleich neben dem Wohnhaus. In der Gärtnerei mußte die ganze Familie mithelfen, vor allem die drei Jungen. Systematisch wurden trotz großer Glasknappheit die Gewächshäuser ausgebaut. Die Gärtnerei erreichte noch zu Zeiten der DDR 4000 Quadratmeter unter Glas und Folie. Bis heute wurde diese Fläche beibehalten. Schon seit vielen Jahren unterhielt die Gätnerei in Nerchau ein Geschäft. Gleich nach der Wende wurde in dieser Stadt ein modernes Garten-Center eingerichtet. Manfred Kupsch genießt jetzt den verdienten Ruhestand. Er wohnt im früheren Fährhaus von Nitzschka, in dessen alten Balken die Jahreszahl 1628 eingeschnitzt wurde. Seine Söhne haben inzwischen eigene Firmen gegründet.

8. ABM - Kräfte machten den alten Rittergutspark wieder ansehnlich

Verein hat große Pläne mit dem Rittergut

In Nitzschka ist seit einigen Jahren der Wurzener Verein zur Förderung umweItbewußten und sozialen Handelns tätig. Er hat den Dorfgasthof in Beschlag genommen und hinterläßt an vielen Stellen im Ort seine Spuren. Die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen finanziert das Oschatzer Arbeitsamt. Seit dem l. April arbeiten, wie Vereinsvorsitzende Annelies Friedrich erzählt, rund 60 Frauen und Männer in Nitzschka. Unter ihnen sind auch rund 30 Frauen mit leichten körperlichen Schäden. Im Gasthof wurden für sie Werkstätten eingerichtet, in denen sie unter anderem Holzgeräte für die Umwelt und den Naturschutz herstellen. Dazu gehören Sitzkrücken für Greifvögel, Nistkästen und Futterhäuschen. In einem anderen Zimmer wird gebastelt. Hier bemalen die Frauen zur Zeit Kurrendesänger und Räucherhäuschen. Bunte Kleiderhacken sind vor allem für Kindereinrichtungen bestimmt. Kinderspielzeug soll vor allem für die Umwelterziehung genutzt werden. Dem gleichen Zweck werden künftig Holzpuppen und Marionetten dienen.
Die ABM-Maßnahme soll ein Jahr dauern. Aber auch danach will sich der Verein nicht aus Nitzschka verabschieden. Schon vor zwei Jahren hat er bei der Treuhand - Nachfolgerin den Antrag gestellt, die Gebäude des Nitzschkaer Rittergutes zu kaufen. Hier soll einmal ein großes Jugendbegegnungszentrum entstehen, in dem junge Leute fort- und ausgebildet werden. In den heute stark reparaturbedürftigen Häusern sollen ein Motel und eine Schallwerkstatt entstehen. Auch einen Streichelzoo wird es am Rande der Mulde einmal geben. Bisher, so bedauern Annelies Friedrich und die anderen Leitungsmitglieder, hat die Treuhand aber noch nicht Ja gesagt zu diesem Vorhaben. Doch die Arbeiten laufen weiter. Die ABM-Kräfte sammelten in den letzten Wochen im ganzen Ort Müll und andere Abfälle. Elf Frauen und drei Männer haben den ehemaligen Rittergutspark wieder auf Vordermann gebracht. Jetzt sind die Wege wieder begehbar, altes Holz wurde entfernt, Steine zusammengetragen. Wir hatten auch einen großen Berg Schwemmholz, das in der Mulde bis nach Nitzschka angeschwemmt wurde, zusammengetragen, erzählt Frank Fidder, Leiter des Trupps. In den letzten Tagen griffen die Frauen und Männer auf dem Reitplatz zu. Sie errichteten Unterstellmöglichkeiten für Pferde, mähten Gras und trugen Abfall zusammen. Ohne ihre Hilfe wäre das Pfingstreitturnier in Nitzschka kaum vorstellbar.
 
 
 

1. Ortsgeschichte

Beim Pfingsturnier wird auch die 14jährige Janett Kaltofen 
mit der Stute Sabrina an den Start gehen.

Pfarrer Carlitz zündet in der Nitzschkaer Kirche die Kerzen an.

Die Mulde fließt dicht am Dorf Nitzschka vorbei.

In der Bastelstube bemalen Ingrid Schirmer (rechts) 
und Brigitte Miksch Räucherhäuschen.

Blumen werden für den Versand vorbereitet. Lehrling Ilka Hofmann (rechts), Renate Marschall und Ronald Müller bei der Arbeit.

Die Fotos zur Seite wurden gemacht von: FDB