Sie können‘s auch!
Gast zweier Damen – Fußballmannschaften waren
MANFRED MÜLLER und GERHARD WEBER
„Emma, nimmt die Hände ...!''
laut hallt dieser Ruf über das weite Rund des Sportplatzes, als
der Ball aufs Fußballtor zurollt. „Emma" - eigentlich Bärbel
- ist einige Male in der Woche Torhüter der Damenfußballmannschaft
der BSG „Traktor" Nitzschka.
Fußball - ein Zauberwort, das Millionen in Begeisterung versetzt.
Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt! - Wer hat es nicht schon erlebt
- als Fußballer selber oder als Zuschauer? Wir wissen nicht, ob unser
Joachim Ringelnatz begeisterter Fußballanhänger war. Er hat
auf seine amüsante und treffliche Art den Fußballwahn glossiert.
Also nicht das Fußballspiel an sich, sondern nur die, die manchmal
des Guten zu viel tun.
Was würde er aber heute sagen, wenn er sogar zwei Damenmannschaften
hinter der ominösen Lederkugel herjagen sähe? Wir sahen es, und
wen es interessiert, der kann es regelmäßig sehen, denn im Kreis
Wurzen existieren zwei Damen- (oder Frauen-) Fußballmannschaften,
in Beucha und Nitzschka. Bis vor einiger Zeit waren es gar derer drei,
nämlich noch eine in Falkenhain, aber dort sahen zu viele Fußballerinnen
Mutterfreuden entgegen, so daß die Mannschaft nicht mehr komplett
ist.
Wir - der RUNDBLICK - halten mit den Nitzschkaer und Beuchaer Sportamazonen
ein gemeinsames Trainingsspiel vereinbart. Es fand an einem sonnigen Donnerstagabend
im Juni in Nitzschka statt. Auf dem Wege dorthin stakste bei Oelschütz
ein Storch in der Wiese, (Aber das hat wohl nichts weiter zu bedeuten!)
Die Nitzschkaer ballerten schon aufs Tor - rechts die Damen, links
die Herren. „Spielt ihr auch mal gegeneinander?" „Nein, das ist wohl verboten,
obwohl die Männer dies schon gewünscht haben. Aber die haben
wohl zu harte Bandagen. Da lassen wir es lieber sein," Dann rollte „singend"
ein Lieferwagen an mit den Beuchaer Damen (natürlich sangen die Damen).
Also gute Laune war vorhanden, und sie hielt auch an. Dann begann ein kleines
Training. Wiederum, so klein war es nicht, denn die Schweißperlen
tropften ziemlich kontinuierlich in den kurzen Rasen. Bald schrillte der
Anpfiff über den Platz. Sektionsleiter HANS MÜLLER von der BSG
„Traktor" Nitzschka hatte es sich nicht nehmen lassen, das Spiel selbst
zu leiten. Hinter dem Tor lümmelten jüngere und ältere Zaungäste
und gaben ihre sinnvollen oder unsinnigen, lobenden und glossierenden Kommentare.
Wir beschränken unseren Kommentar auf einige allgemeine Feststellungen,
die wir auch schon beim Punktspiel vor einigen Wochen machen konnten; Spielweise
sehr diszipliniert, keine oder kaum Meckereien, auch nicht untereinander
- „Pärchenbetrieb", also gute Deckungsarbeit, wobei Nitzschka etwas
im Vorteil war, denn Beucha hatte nur 9 Mann (Damen) zur Stelle - einige
beachtliche Sturmläufe, Flanken, Ausspielungen und beherzte Torschüsse
(eine Anregung für unsere Nationalmannschaft !).
Natürlich muß man einige Abstriche machen - aber mit welchem
Eifer, wie resolut und auch mit welchem Können da einige Damen zu
Werke gingen - alle Achtung! Wer „Robert" gesehen hat, der konnte begeistert
sein. Mit welchen raffinierten Tricks Jutta Laicht aus Beucha, das ist
„Robert", die Bälle annahm, die Gegner umspielte und mit knallhartem
Schuß aufs Tor donnerte - da mußte man einfach begeistert applaudieren.
Wir taten es. Von den Rängen klang manches „Oh l". Wenn die Beuchaer
am Ende mit 2 : 1 gewannen (dazu noch einen Elfmeter übers Tor gehoben
hatten), so war das verdient.
Der Lohn am Ende des Spieles ließ auch nicht lange auf sich warten.
GERHARD BRODKORB, verdienstvoller Fußball - Funktionär des Kreises
Wurzen, eilte aufs Spielfeld. Er balancierte eine mächtige Torte in
der Hand. Sie war in meisterlicher Weise von Konditormeister ULLI MÖBIUS
aus Colditz für die Fußballfrauen gebacken worden. Man amüsierte
sich. Als sich gar die "13" in Marzipan gegossen wiedererkannte,
da gab es großes Hallo. Inzwischen dampfte im neuen Keglerheim der
Kaffee. In fröhlicher Runde saßen wir beisammen. Beate - die
an diesem Nachmittag ein herrliches Tor geschossen hatte - durfte die Torte
anschneiden. „Die kann das auch! Sie ist doch Konditor!" Wie es der Zufall
doch manchmal so will! - Dann wunderten wir uns: rief doch eine (und erhielt
auch Beifall): „Bier wäre besser gewesen!" - Da sieh doch einer an!
Na Ja, nach so viel Schweiß ist wohl Kaffee nicht das Richtige. "Waldi",
der immer für alle da ist, der "seine" Damen umsorgt, fand einen kleinen
Vorrat. - Nun, wie war das Spiel? „Hat in der falschen Ecke gestanden"
- "Es war ein müdes Spiel..." "Alle rannten auf einen Haufen ..."
"Der Linienrichter, diese Pflaume ..."; "Wir mußten es mehr auseinanderziehen
..." So schwirrte es durch den Raum. Jeder wollte etwas sagen, leider olle
zur gleichen Zeit, So verstanden wir nur diese Brocken.
Wie war das, als sie anfingen? BEUCHA: „Wir spielen schon seit 1971.
Es war nichts' los in unserem Dorf. Wir Mädchen der 9. und 10.
Klassen wollten so gern etwas erleben. Also sind wir im Dorf herumgefahren
und haben allen gesagt: Wenn ihr Lust habt, Fußball zu spielen, dann
kommt. Wir wollen darüber diskutieren. Und wir haben diskutiert. Und
Opa KURT BERTRAM machte uns Mut. Wir besorgten uns Fußballschuhe.
Einige kamen auch mit Turnschuhen. Und es machte Spaß. 1972 spielten
wir schon in der Leipziger Kreisklasse. Dort spielen wir noch heute. Und
keinen schlechten Ball, denn ,Chemie‘ Leipzig hat immer ganz schön
zu tun. Leider haben wir jetzt große Sorgen. Wir haben keinen Betreuer
mehr. Die BSG-Leitung betrachtet uns als „notwendiges übel''. Wir
haben Nachwuchssorgen und schlagen uns mehr oder weniger gut durch die
Runden." Eva - Maria (20), Spielführer der Beuchaer und von Beruf
Bottichbauer, erzählte uns das, und zwar nicht gerade mit heitere
Miene.
NITZSCHKA: Es war Anfang 1973. Da kam der Bürgermeister zu uns:
„Wir brauchen eine Attraktion für die Dorffestspiele." Also suchten
wir fußballinteressierte Mädchen. Es klappte auch, allerdings
nicht lange. Einige stellten ihre Fußballstiefel wieder In die Ecke.
Die Eltern hatten etwas dagegen, oder dem Freund paßte es nicht und
dergleichen Dinge mehr. Aber wir haben einen guten Freund. Das ist „Woldi".
nämlich Sportfreund WALDEMAR WUTZIG, unser Betreuer und Trainer. Er
weiß richtig mit uns umzugehen. Wenn wir mal gar zu müde sind,
macht er uns wieder munter. Er kann uns begeistern. Und so spielen wir
heute noch.
Wer sind sie? Was machen sie, die Damen dieser beiden Mannschaften?
Die älteste ist 34. Das ist aber eine Ausnahme. Die Jüngste ist
14 Jahre, die Mehrzahl zwischen 16 und 20 Jahren. Wenige sind noch Schülerinnen.
Sonst arbeiten sie als Kaufleute, Spinner, Köche, Konditor, Geflügelzüchter,
Kinderschwester oder beim Bau und bei der Reichsbahn. Was tun sie sonst
nach gern? Die meisten gehen gern tanzen, radeln durch die Landschaft (hoffentlich
noch recht lange), spielen Doppelkopf gehen spazieren, hören Musik,
sitzen gern in lustiger Gesellschaft, singen, stricken, lesen, also alles
ganz normale und liebenswerte Beschäftigungen.
Allgemeiner Aufbruch. Eine Nitzschkaer Stimme ruft: „Vergeßt
es nicht Sonnabend treffen wir uns zur üblichen Zeit zum Rüben
hacken." Wir staunen. „Ja, wir haben in der LPG einen Hektar Rüben
in Pflege genommen. Damit verdienen wir uns einige Mark für unsere
Gemeinschaftskasse." Wir resümieren; Wer da noch Vorbehalte hat, wenn
Mädchen und Frauen Fußball spielen, der sollte sich erst einmal
ein Spiel ansehen. Mancher männliche Kontrahent kann da von ihnen
lernen, was Beherrschung und Selbstdisziplin betrifft. Den Mädchen
macht es Spaß. Und Sport erholt jung und gesund.
Wir wünschen den sympathischen Mädchen und Frauen aus Nitzschka,
Beucha und aus anderen Orten viel Freude beim „männlichen" Spiel.
Und das nicht nur im ,Jahr der Frau'. Sport Frei!
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nachfolgende Fotos: Sportverein Lutz Merseburger
Bei einem Spiel auswärts
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Bei einem Ausflug
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