aus dem Rundblick von 1975

Sie können‘s auch!

Gast zweier Damen – Fußballmannschaften waren
MANFRED MÜLLER und GERHARD WEBER

„Emma, nimmt die Hände ...!''

laut hallt dieser Ruf über das weite Rund des Sportplatzes, als der Ball aufs Fußballtor zurollt. „Emma" - eigentlich Bärbel - ist einige Male in der Woche Torhüter der Damenfußballmannschaft der BSG „Traktor" Nitzschka.
Fußball - ein Zauberwort, das Millionen in Begeisterung versetzt. Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt! - Wer hat es nicht schon erlebt - als Fußballer selber oder als Zuschauer? Wir wissen nicht, ob unser Joachim Ringelnatz begeisterter Fußballanhänger war. Er hat auf seine amüsante und treffliche Art den Fußballwahn glossiert. Also nicht das Fußballspiel an sich, sondern nur die, die manchmal des Guten zu viel tun.
Was würde er aber heute sagen, wenn er sogar zwei Damenmannschaften hinter der ominösen Lederkugel herjagen sähe? Wir sahen es, und wen es interessiert, der kann es regelmäßig sehen, denn im Kreis Wurzen existieren zwei Damen- (oder Frauen-) Fußballmannschaften, in Beucha und Nitzschka. Bis vor einiger Zeit waren es gar derer drei, nämlich noch eine in Falkenhain, aber dort sahen zu viele Fußballerinnen Mutterfreuden entgegen, so daß die Mannschaft nicht mehr komplett ist.
Wir - der RUNDBLICK - halten mit den Nitzschkaer und Beuchaer Sportamazonen ein gemeinsames Trainingsspiel vereinbart. Es fand an einem sonnigen Donnerstagabend im Juni in Nitzschka statt. Auf dem Wege dorthin stakste bei Oelschütz ein Storch in der Wiese, (Aber das hat wohl nichts weiter zu bedeuten!)
Die Nitzschkaer ballerten schon aufs Tor - rechts die Damen, links die Herren. „Spielt ihr auch mal gegeneinander?" „Nein, das ist wohl verboten, obwohl die Männer dies schon gewünscht haben. Aber die haben wohl zu harte Bandagen. Da lassen wir es lieber sein," Dann rollte „singend" ein Lieferwagen an mit den Beuchaer Damen (natürlich sangen die Damen). Also gute Laune war vorhanden, und sie hielt auch an. Dann begann ein kleines Training. Wiederum, so klein war es nicht, denn die Schweißperlen tropften ziemlich kontinuierlich in den kurzen Rasen. Bald schrillte der Anpfiff über den Platz. Sektionsleiter HANS MÜLLER von der BSG „Traktor" Nitzschka hatte es sich nicht nehmen lassen, das Spiel selbst zu leiten. Hinter dem Tor lümmelten jüngere und ältere Zaungäste und gaben ihre sinnvollen oder unsinnigen, lobenden und glossierenden Kommentare. Wir beschränken unseren Kommentar auf einige allgemeine Feststellungen, die wir auch schon beim Punktspiel vor einigen Wochen machen konnten; Spielweise sehr diszipliniert, keine oder kaum Meckereien, auch nicht untereinander - „Pärchenbetrieb", also gute Deckungsarbeit, wobei Nitzschka etwas im Vorteil war, denn Beucha hatte nur 9 Mann (Damen) zur Stelle - einige beachtliche Sturmläufe, Flanken, Ausspielungen und beherzte Torschüsse (eine Anregung für unsere Nationalmannschaft !).
Natürlich muß man einige Abstriche machen - aber mit welchem Eifer, wie resolut und auch mit welchem Können da einige Damen zu Werke gingen - alle Achtung! Wer „Robert" gesehen hat, der konnte begeistert sein. Mit welchen raffinierten Tricks Jutta Laicht aus Beucha, das ist „Robert", die Bälle annahm, die Gegner umspielte und mit knallhartem Schuß aufs Tor donnerte - da mußte man einfach begeistert applaudieren. Wir taten es. Von den Rängen klang manches „Oh l". Wenn die Beuchaer am Ende mit 2 : 1 gewannen (dazu noch einen Elfmeter übers Tor gehoben hatten), so war das verdient.
Der Lohn am Ende des Spieles ließ auch nicht lange auf sich warten. GERHARD BRODKORB, verdienstvoller Fußball - Funktionär des Kreises Wurzen, eilte aufs Spielfeld. Er balancierte eine mächtige Torte in der Hand. Sie war in meisterlicher Weise von Konditormeister ULLI MÖBIUS aus Colditz für die Fußballfrauen gebacken worden. Man amüsierte sich. Als sich gar die "13"  in Marzipan  gegossen  wiedererkannte, da gab es großes Hallo. Inzwischen dampfte im neuen Keglerheim der Kaffee. In fröhlicher Runde saßen wir beisammen. Beate - die an diesem Nachmittag ein herrliches Tor geschossen hatte - durfte die Torte anschneiden. „Die kann das auch! Sie ist doch Konditor!" Wie es der Zufall doch manchmal so will! - Dann wunderten wir uns: rief doch eine (und erhielt auch Beifall): „Bier wäre besser gewesen!" - Da sieh doch einer an! Na Ja, nach so viel Schweiß ist wohl Kaffee nicht das Richtige. "Waldi", der immer für alle da ist, der "seine" Damen umsorgt, fand einen kleinen Vorrat. - Nun, wie war das Spiel? „Hat in der falschen Ecke gestanden" - "Es war ein müdes Spiel..." "Alle rannten auf einen Haufen ..." "Der Linienrichter, diese Pflaume ..."; "Wir mußten es mehr auseinanderziehen ..." So schwirrte es durch den Raum. Jeder wollte etwas sagen, leider olle zur gleichen Zeit, So verstanden wir nur diese Brocken.
Wie war das, als sie anfingen? BEUCHA: „Wir spielen schon seit 1971.
Es war nichts' los in unserem Dorf. Wir Mädchen der 9. und 10. Klassen wollten so gern etwas erleben. Also sind wir im Dorf herumgefahren und haben allen gesagt: Wenn ihr Lust habt, Fußball zu spielen, dann kommt. Wir wollen darüber diskutieren. Und wir haben diskutiert. Und Opa KURT BERTRAM machte uns Mut. Wir besorgten uns Fußballschuhe. Einige kamen auch mit Turnschuhen. Und es machte Spaß. 1972 spielten wir schon in der Leipziger Kreisklasse. Dort spielen wir noch heute. Und keinen schlechten Ball, denn ,Chemie‘ Leipzig hat immer ganz schön zu tun. Leider haben wir jetzt große Sorgen. Wir haben keinen Betreuer mehr. Die BSG-Leitung betrachtet uns als „notwendiges übel''. Wir haben Nachwuchssorgen und schlagen uns mehr oder weniger gut durch die Runden." Eva - Maria (20), Spielführer der Beuchaer und von Beruf Bottichbauer, erzählte uns das, und zwar nicht gerade mit heitere Miene.
NITZSCHKA: Es war Anfang 1973. Da kam der Bürgermeister zu uns: „Wir brauchen eine Attraktion für die Dorffestspiele." Also suchten wir fußballinteressierte Mädchen. Es klappte auch, allerdings nicht lange. Einige stellten ihre Fußballstiefel wieder In die Ecke. Die Eltern hatten etwas dagegen, oder dem Freund paßte es nicht und dergleichen Dinge mehr. Aber wir haben einen guten Freund. Das ist „Woldi". nämlich Sportfreund WALDEMAR WUTZIG, unser Betreuer und Trainer. Er weiß richtig mit uns umzugehen. Wenn wir mal gar zu müde sind, macht er uns wieder munter. Er kann uns begeistern. Und so spielen wir heute noch.
Wer sind sie? Was machen sie, die Damen dieser beiden Mannschaften? Die älteste ist 34. Das ist aber eine Ausnahme. Die Jüngste ist 14 Jahre, die Mehrzahl zwischen 16 und 20 Jahren. Wenige sind noch Schülerinnen. Sonst arbeiten sie als Kaufleute, Spinner, Köche, Konditor, Geflügelzüchter, Kinderschwester oder beim Bau und bei der Reichsbahn. Was tun sie sonst nach gern? Die meisten gehen gern tanzen, radeln durch die Landschaft (hoffentlich noch recht lange), spielen Doppelkopf gehen spazieren, hören Musik, sitzen gern in lustiger Gesellschaft, singen, stricken, lesen, also alles ganz normale und liebenswerte Beschäftigungen.
Allgemeiner Aufbruch. Eine Nitzschkaer Stimme ruft: „Vergeßt es nicht Sonnabend treffen wir uns zur üblichen Zeit zum Rüben hacken." Wir staunen. „Ja, wir haben in der LPG einen Hektar Rüben in Pflege genommen. Damit verdienen wir uns einige Mark für unsere Gemeinschaftskasse." Wir resümieren; Wer da noch Vorbehalte hat, wenn Mädchen und Frauen Fußball spielen, der sollte sich erst einmal ein Spiel ansehen. Mancher männliche Kontrahent kann da von ihnen lernen, was Beherrschung und Selbstdisziplin betrifft. Den Mädchen macht es Spaß. Und Sport erholt jung und gesund.
Wir wünschen den sympathischen Mädchen und Frauen aus Nitzschka, Beucha und aus anderen Orten viel Freude beim „männlichen" Spiel. Und das nicht nur im ,Jahr der Frau'. Sport Frei!
 

nachfolgende Fotos: Sportverein Lutz Merseburger

Bei einem Spiel auswärts


 

Bei einem Ausflug


 

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